Schöffengerichte sind Garant gelebter Demokratie
Die Beteiligung von Schöffen und Jugendschöffen bei Gerichtsprozessen schafft eine breitere Basis bei der Urteilsfindung. Besonders im Bereich der sozialen Kompetenz leisten Schöffen mit spezifischen Kenntnissen und Fähigkeiten wichtige Beiträge zur Rechtsfindung, wobei die Auseinandersetzung mit nicht-juristischen Denkweisen häufig der Klärung in hohem Maße gedient hat. Informations- und Fortbildungsangebote sollen Schöffinnen und Schöffen in ihrer Handlungskompetenz unterstützen und die gleichberechtigte Mitwirkung am Rechtsfindungsprozess ermöglichen und verbessern.
Schöffen
Als Schöffen bezeichnet man die Personen, die durch Wahl zu ehrenamtlichen Richtern in der Strafjustiz bestimmt worden sind. Das Gerichtsverfassungsgesetz sieht in Strafsachen in weitem Umfang die Beteiligung von Schöffen vor, die neben Berufsrichtern gleichberechtigt an der Hauptverhandlung teilnehmen und zur Urteilsfindung berufen sind. Als solche sind sie unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Wie die Berufsrichter sind sie zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet. Deshalb lautet der Eid, den sie zu Beginn ihrer Tätigkeit zu leisten haben, dass sie „nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person“ urteilen werden. Sie sollen in diesem Ehrenamt als Vertreter des Volkes dazu beitragen, dass das Vertrauen des Volkes in die Justiz erhalten bleibt. Sie erfüllen damit eine unverzichtbare und verantwortungsvolle Aufgabe. Weitere Informationen können Sie dem Kasten rechts entnehmen.
Der Schöffeneid
Ich schwöre die Pflichten eines ehrenamtlichen Richters getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, getreu der Verfassung des Landes ………. und getreu dem Gesetz zu erfüllen, nach bestem Wissen und Gewissen – ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe.
Auswahlverfahren
Für das Auswahlverfahren der Schöffen stellen die Gemeinden in jedem fünften Jahr gemäß einem im Gesetz festgelegten Verfahren eine Vorschlagsliste für Schöffen auf, in der alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen berücksichtigt werden sollen. Aus dieser Liste wird durch einen Ausschuss, bestehend aus einem Richter am Amtsgericht, einem Verwaltungsbeamten und zehn Vertrauenspersonen aus dem Amtsgerichtsbezirk, die erforderliche Zahl der Schöffen und Ersatzschöffen gewählt. In ähnlicher Weise werden auch die Jugendhauptschöffen und Jugendersatzschöffen auf Vorschlag des Jugendhilfeausschusses bestimmt.
Rechte und Pflichten der Schöffen
Grundsatz: Nach §§ 30, 77 Abs. 1 GVG üben die Schöffen das Richteramt während der Hauptverhandlung – soweit das Gesetz nichts anderes regelt – in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht aus wie die Berufsrichter, und zwar auch bei Entscheidungen, die mit der Urteilsfindung nicht unmittelbar im Zusammenhang stehen. Das bedeutet: Im Laufe der Hauptverhandlung ist der Schöffe Richter mit den gleichen Befugnissen wie die Berufsrichter, es sei denn, es ist ausdrücklich gesetzlich etwas anderes geregelt. Wann er von einer Entscheidung ausgeschlossen ist, erfährt er auf die Frage: „Wo steht das im Gesetz?“ Gibt es keine geschriebene Rechtsnorm, sind die Schöffen zu denselben Handlungen befugt wie die Berufsrichter.
Ehrenamtliche Richter genießen die gleiche Unabhängigkeit wie die Berufsrichter. Sie sind allein an Recht und Gesetz gebunden, nicht an irgendwelche Grundsatzurteile höherer Gerichte oder an Anträge der Staatsanwaltschaft.
Grundlagen des Schöffenamtes
1. Gleichberechtigte Teilnahme an der Hauptverhandlung
2. Einfluss auf Verfahren und Urteilsfindung
3. Verantwortung und Haftung
4. Pflichten der Schöffen
5. Schutzrechte von Arbeitnehmern
6. Entschädigung
Das Schöffenamt zeichnet sich durch folgende Grundsätze aus, aus denen deutlich wird, dass es sich nicht um ein demokratisches Mäntelchen handelt, sondern um echte Teilhabe an den Entscheidungen der dritten Gewalt gegenüber Angeklagten, Geschädigten und Öffentlichkeit.
1. Gleichberechtigte Teilnahme an der Hauptverhandlung
Nach §§ 30 und 77 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) nehmen die Schöffen an der Hauptverhandlung in gleichem Umfang und mit gleicher Stimme teil wie die Berufsrichter. Diese Regelung hat, auf einen kurzen Nenner gebracht, drei Elemente:
- Schöffen sind Richter wie die Berufsrichter auch.
- Sie wirken sowohl an dem Urteil mit sowie an allen anderen Entscheidungen über das Verfahren im Laufe einer Hauptverhandlung.
- Eine Mitwirkung scheidet nur dann aus, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist.
Aus der gleichberechtigten Teilnahme folgt auch, dass die Schöffen die gleiche Verantwortung für die Entscheidungen tragen wie die Berufsrichter. Sie müssen entscheiden, ob dem Angeklagten die Tat in der Beweisaufnahme nachgewiesen wurde und welche Sanktion im Falle einer Verurteilung angemessen erscheint. Jugendschöffen treffen die Entscheidung darüber, ob ein Angeklagter im Alter von 18 bis 20 Jahren (Heranwachsender) als Jugendlicher oder als Erwachsener zu beurteilen ist.
2. Einfluss auf Verfahren und Urteilsfindung
Die wichtigste Aufgabe ist die Mitwirkung an Urteil oder Einstellung des Verfahrens sowie den damit verbundenen Entscheidungen wie etwa die Festsetzung von Bewährungsauflagen. Sie nehmen an allen Beratungen und Abstimmungen teil. Das erfordert Kommunikations- und die Fähigkeit, Menschen einschätzen zu können.
In der Hauptverhandlung haben Schöffen das Recht, Fragen an Angeklagte, Zeugen und Sachverständige zu stellen. Sie entscheiden mit über Beweisanträge der Staatsanwaltschaft oder der Verteidigung, haben aber auch das Recht, selbst Anregungen zur weiteren Beweisaufnahme (Vernehmung von Zeugen, Einholung eines weiteren Gutachtens usw.) zu geben. In Fällen, in denen zunächst der Vorsitzende auf Grund seiner Leitungsbefugnis allein entscheidet, kann von Verfahrensbeteiligten der Antrag auf Entscheidung durch das Gericht gestellt werden. Dann entscheiden auch die Schöffen über Verfahrensfragen (z.B. über die Zulässigkeit von Fragen) mit, ggf. auch gegen den Vorsitzenden. Über Verfahrensfragen (z.B. Vereidigungsverbot, Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht, Vertagung) wird mit einfacher Mehrheit entschieden.
Entscheidungen über die Schuldfrage, also ob die Tat dem Angeklagten nachgewiesen werden kann, und über die Rechtsfolgen der Tat (Strafe, Maßregeln der Besserung und Sicherung, Strafaussetzung zur Bewährung usw.) bedürfen einer Zwei-Drittel-Mehrheit (§ 263 StPO). Gegen die Stimmen beider Schöffen kann also im deutschen Strafprozess niemand verurteilt werden. Das gilt auch für die „Verständigung über Verfahren und Urteil“, auch als sog. Deal bekannt geworden. Gerade bei dem Aushandeln der Folgen einer Straftat haben die Schöffen die Aufgabe, die Vorstellungen der Bevölkerung von der Reaktion auf diese Taten einzubringen.
3. Verantwortung und Haftung
Die Gleichstellung mit den Berufsrichtern hat zur Folge, dass die Schöffen alle Entscheidungen, an denen sie teilnehmen (insbesondere das Urteil), in gleicher Weise verantworten wie die Berufsrichter. Schöffen müssen sich zu jeder Entscheidung eine Auffassung bilden. Stimmenthaltung ist nicht zulässig. Auf sie sind die für Richter geltenden straf- und zivilrechtlichen Regeln anzuwenden.
- Für ein „falsches“ Urteil, das in der Berufungs- oder Revisionsinstanz aufgehoben oder abgeändert wurde, kann ein Schöffe zivilrechtlich nicht haftbar gemacht werden. Wie für den Berufsrichter gilt das sog. Spruchrichterprivileg des § 839 Abs. 2 BGB. Zum Schadenersatz kann ein Richter nur herangezogen werden, wenn er eine strafbare Pflichtverletzung begangen hat.
- Auch strafrechtlich sind Schöffen Richter und können wegen Bestechlichkeit (§ 332 StGB), Rechtsbeugung (§ 339 StGB) oder Verfolgung Unschuldiger (§ 344 StGB) zur Verantwortung gezogen werden.
4. Pflichten der Schöffen
Die Schöffen sind zur Teilnahme an den Hauptverhandlungen verpflichtet. Hiervon sind sie nur in den gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefällen entbunden, wenn sie
- durch bestimmte gesetzliche Gründe (z.B. bei Verwandtschaft mit Zeugen oder Angeklagten) oder
- wegen einer Besorgnis der Befangenheit
ausgeschlossen werden oder vom Vorsitzenden von der Teilnahme befreit wurden, weil
- sie (körperlich) verhindert sind, bei Gericht zu erscheinen (Unfall, Krankheit usw.), oder
- ein Erscheinen bei Gericht nicht zuzumuten ist (weit entfernte Abwesenheit, wichtige berufliche Verpflichtung u.ä.).
Ansonsten müssen persönliche Verpflichtungen und Interessen hinter dem Schöffendienst zurückstehen. Die Entbindung von der Teilnahme wird sehr streng gehandhabt, weil nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG niemand seinem gesetzlichen Richter (zu dem auch die Schöffen gehören) entzogen werden darf.
Eine Hauptverhandlung kann sich über mehrere Sitzungstage erstrecken. Da das Gericht von der ersten bis zur letzten Sekunde in der gleichen Besetzung verhandeln muss, müssen die Schöffen an allen Sitzungstagen teilnehmen, auch wenn sich die Verhandlung über Monate erstreckt, was bei Kapitaldelikten (Mord, Totschlag usw.) nicht selten passiert. Da eine Hauptverhandlung in der Regel für nicht länger als 21 Tage unterbrochen werden darf, müssen Schöffen ggf. sogar einen Urlaub unterbrechen, um an einer Fortsetzungsverhandlung teilzunehmen.
Schöffen haben – wie die Berufsrichter – die Pflicht, ihr Amt unvoreingenommen, neutral und ohne Vorurteile auszuüben. Solange keine rechtskräftige Verurteilung vorliegt, gilt die Unschuldsvermutung. Sie dürfen sich weder von Zu- oder Abneigungen noch von der Berichterstattung in der Presse beeinflussen lassen.
5. Schutzrechte von Arbeitnehmern
Nach § 45 Abs. 1 a Deutsches Richtergesetzes (DRiG)
- darf der Schöffe weder in der Übernahme oder Ausübung des Amtes beschränkt noch wegen der Übernahme oder Ausübung des Amtes benachteiligt werden;
- ist er für die Zeit seiner Amtstätigkeit von dem Arbeitgeber von der Arbeitsleistung freizustellen;
- ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen der Übernahme oder der Ausübung des Amtes unzulässig.
Weitergehenden Schutz als die bundesrechtlichen Regeln bietet in Brandenburg Art. 110 der dortigen Landesverfassung. Danach ist die Kündigung eines ehrenamtlichen Richters nur dann zulässig, wenn Gründe für eine außerordentliche (fristlose) Kündigung vorliegen.
6. Entschädigung
Schöffen erhalten für ihre Tätigkeit kein Entgelt. Sie erhalten aber nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) Entschädigung für Nachteile, die durch ihre Heranziehung entstanden sind.
- Fahrtkostenersatz (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 JVEG): Dieser liegt bei Benutzung des eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs bei 0,42 Euro für jeden gefahrenen Kilometer.
- Klarstellung zur Gesamtdauer der Entschädigung (§ 15 Abs. 2 JVEG): Eine Ergänzung in § 15 Abs. 2 Satz 2 JVEG soll klarstellen, dass zu der Dauer der Heranziehung die gesamte Zeit zählt, in der der ehrenamtliche Richter seiner beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen kann, d. h. einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten. Für im Schichtdienst Tätige ist die Klarstellung von Bedeutung, wenn die berufliche Tätigkeit vor oder nach der Sitzung incl. An- und Rückreise nicht ausgeübt werden kann.
- Die Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 16 JVEG), die alle ehrenamtlichen Richter für die gesamte Dauer der Heranziehung vom Verlassen der Wohnung bzw. der Arbeitsstätte bis zur Rückkehr dorthin erhalten, ist auf 7,- Euro pro Stunde festgelegt.
- Die Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 17 JVEG) beträgt 17,- € pro Stunde.
- Die Entschädigung für Verdienstausfall (§ 18 JVEG) beträgt 29,- € pro Stunde. Die Erhöhungsbeträge für Umfangsverfahren oder häufige Heranziehung betragen höchstens 55,- € (bei mehr als 20 Sitzungstagen in einem oder mindestens 6 Sitzungstage innerhalb von 30 Kalendertagen auch in mehreren Verfahren) bzw. höchstens 73,-€ (bei mehr als 50 Verhandlungstagen in einem Verfahren).
(Quelle: www.gesetze-im-internet.de)